Aktuelle Artikel rund um Krankheitsbilder und
wissenschaftliche Therapieansätze
September, 2021
Schuheinlagen im Sport
Schuheinlagen im Sport werden vor allem bei Überlastungsbeschwerden eingesetzt. Der Einsatz von Einlagen erfolgt meist erfahrungsgeleitet und wird von Ärzte/ Orthopädieschuhmacher durchgeführt. Der wissenschaftliche Nachweis evidenzbasierter Wirkmechanismen für eine effiziente Einlagenversorgung ist jedoch schwierig (Borom & Clanton, 2003).
Einlagen für den Sportschuh werden meistens an der statischen Fußform mittels Blauabdruck oder Trittschaum angefertigt. Der Nachteil dieser Messung ist jedoch das der Abrollvorgang des Fußes nicht berücksichtigt wird. Gerade bei Sportlern ist das dynamische Abbild des Fußes zu bevorzugen, da diese vom statischen Abdruck meist abweicht (Dickhuth, 2007). Bei Schuheinlagen werden Weichbettungen für Beschwerden an der Fußsohle im Vorfuß wie Metatarsalgie und Hallux valgus angwendet. Im Rückfuß werden vermehrt Weichbettungen für den Fersensporn und Insertionstendinopathien eingearbeitet.
Bei Einlagen welche das Längsgewölbe durch Weichbettungen unterstützt wurde, konnte eine erhöhte Aktivität der Fußmuskulatur vor allem des Muskulus Peroneus festgestellt (Baur et al., 2003). Sensomotorische Regulationsmechanismen der Fußsohle scheinen hierbei eine entscheidende Rolle zu spielen (Van Deursen & Simoneau, 1999). Der Fuß wird als sensorisches Organ verstanden welche durch die Einlagen Reaktionen für eine veränderte Bewegungssteuerung hervorruft.
Eine Einlagenversorgung als vorbeugende Wirkung für Beschwerden im Sport ist nach derzeitigem Wissensstand nur bedingt zu empfehlen (Yeung et al., 2011). Sollte dies verordnet werden, so ist eine regelmäßige Kontrolle und Anpassung der Einlage Voraussetzung.
In wissenschaftlichen Untersuchungen wird der Evidenzgrad häufig nicht sehr hoch eingeordnet, dennoch konnte bei individueller Anfertigung von Einlagen eine Beschwerdereduktion nachgewiesen werden (Pratt, 2000; Razeghi & Batt, 2000).
Das Training der Fußmuskulatur ist ein wichtiger Bestandteil damit eine Stabilität des Fußgewölbes gewährleistet ist und darf nicht außer Acht gelassen werden (Hashimoto & Sakuraba, 2014; Lee et al., 2019). Vor allem bei Fußfehstellungen wie Senk‑,Spreiz‑, Knick-und Plattfuß sollte ein Fußgewölbe- Training täglich durchgeführt werden (Unver et al., 2019). Zusätzlich sollte auf die Stellung der Knie und der Hüfte geachtet werden um einen langfristigen positiven Erfolg zu erzielen. Ein Fußgewölbe Training in Kombination mit einer Schuheinlage zeigt einen höheren Effekt als das Tragen von Schuheinlagen alleine (Jung et al., 2011).
Fazit:
- eine therapeutische Einlagenversorgung ist bei sportbedingten Überlastungsschäden sinnvoll
- eine individuelle Anfertigung einer Schuheinlage vor allem durch eine Geh-Lauf Analyse ist zu bevorzugen
- Einlagen im Sport sollten nicht als Dauerversorgung gesehen werden sondern als therapeutische Intervention für einen bestimmten Zeitraum
- Des Weiteren ist es wichtig langfristig an der Beinstatik als auch an der Fußmuskulatur aktiv zu arbeiten
- Fußmuskulatur Training + Schuheinlagen ist wirkungsvoller als Einlagen alleine
Übungen um das Längs-und Quergewölbe des Fußes zu trainieren, bekommen Sie in meiner Praxis.
Quellen:
Baur, H., Hirschmüller, A., Müller, S., & Mayer, F. (2003). Wirkungsweise von funktionellen Elementen der Schuheinlagenversorgung im Sport. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 54(11), 323–328.
Borom, A., & Clanton, T. (2003). Chapter 30, Section D: Sports Shoes and Orthoses. DeLee and Drez’s Orthopaedic Sports Medicine: Philadelphia: Saunders Elsevier.
Dickhuth, H.-H. (2007). Sportmedizin für Ärzte: Lehrbuch auf der Grundlage des Weiterbildungssystems der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP); mit 109 Tabellen: Dt. Ärzte-Verlag.
Hashimoto, T., & Sakuraba, K. (2014). Strength training for the intrinsic flexor muscles of the foot: effects on muscle strength, the foot arch, and dynamic parameters before and after the training. Journal of physical therapy science, 26(3), 373–376.
Jung, D.-Y., Koh, E.-K., & Kwon, O.-Y. (2011). Effect of foot orthoses and short-foot exercise on the cross-sectional area of the abductor hallucis muscle in subjects with pes planus: a randomized controlled trial 1. Journal of back and musculoskeletal rehabilitation, 24(4), 225–231.
Lee, E., Cho, J., & Lee, S. (2019). Short-foot exercise promotes quantitative somatosensory function in ankle instability: a randomized controlled trial. Medical science monitor: international medical journal of experimental and clinical research, 25, 618.
Pratt, D. J. (2000). A critical review of the literature on foot orthoses. Journal of the American Podiatric Medical Association, 90(7), 339–341.
Razeghi, M., & Batt, M. E. (2000). Biomechanical analysis of the effect of orthotic shoe inserts. Sports Medicine, 29(6), 425–438.
Unver, B., Erdem, E. U., & Akbas, E. (2019). Effects of Short-Foot Exercises on Foot Posture, Pain, Disability and Plantar Pressure in Pes Planus. Journal of sport rehabilitation, 1–16.
Van Deursen, R. W. M., & Simoneau, G. G. (1999). Foot and ankle sensory neuropathy, proprioception, and postural stability. Journal of orthopaedic & sports physical therapy, 29(12), 718–726.
Yeung, S. S., Yeung, E. W., & Gillespie, L. D. (2011). Interventions for preventing lower limb soft-tissue running injuries. Cochrane Database of Systematic Reviews(7).
Oktober, 2021
Migräne und Ausdauertraining
Migräne gilt als die häufigste chronische Kopfschmerzform. Frauen
sind 3‑mal häufiger betroffen wie Männer. Migräne ist eine wiederkehrende Kopfschmerzattacke mit vegetativen und/oder neurologischen Begleitsymptome (Goadsby et al., 2017).
Auslösende Faktoren:
Hormonschwankungen (z.B. Menstruation) und/oder Stress aber auch Entlastung nach langanhaltende Stressphase, Schlafmangel, Alkohol, Flackerlicht, Lärm, bestimmte Nahrungsmittel (Kelman 2007., Göbel 2012). DieseFaktoren welche eine Migräne auslösen können beruhen fast ausschließlich auf Migränetagebücher der Patienten und sind kritisch zu betrachten.
Physiologischer Hintergrund der Erkrankung:
Die genaue Ursache der Migräne ist derzeit nicht eindeutig geklärt. Die neurologischen Ausfallsymptome der Aura gehen mit einer vorübergehenden Minderdurchblutung regionaler Hirngefäße aus. Anschließend kommt es zu einer Freisetzung von Entzündungs-mediatoren aus den Axonen des Nervus Trigeminus innerhalb der schmerzempfindlichen Hirnhäute. Die Folge ist eine Gefäßweitstellung mit einer neurogenen Entzündung (Goadsby et al., 2017).
Was sagt die Wissenschaft dazu?
Untersuchungen welche sich mit Ausdauertraining und Migräne-attacken beschäftigen, wurden herangezogen. Obwohl die Unter-suchungen eine geringe bis mittlere Qualität haben, kann gezeigt werden dass ein regelmäßiges durchgeführtes Ausdauertraining (2–3x wöchentlich) bei Personen mit Migräne die Schmerzintensität verringert werden kann (Darabaneanu et al., 2011; La Touche et al., 2020;
Lemmens et al., 2019). Bei der Intensität und der Dauer des Ausdauertrainings sind die Aussagen der WissenschafterInnen jedoch kontrovers.
Fazit:
Die Untersuchungen zeigen, dass ein 2x wöchentliches Ausdauertraining über 12 Wochen die Häufigkeit und Intensität der Migräneattacken reduziert (Darabaneanu et al., 2011; Hanssen et al., 2018).
Quellen:
Göbel, H. (2012): Migäne. Diagnostik – Therapie – Prävention. Springer-Verlag, S. 165.
Darabaneanu, S., Overath, C., Rubin, D., Lüthje, S., Sye, W., Niederberger, U., Gerber, W.-D., et al. (2011). Aerobic exercise as a therapy option for migraine: a pilot study. International journal of sports medicine, 32(06), 455–460.
Goadsby, P. J., Holland, P. R., Martins-Oliveira, M., Hoffmann, J., Schankin, C., & Akerman, S. (2017). Pathophysiology of migraine: a disorder of sensory processing. Physiological reviews, 97(2), 553–622.
Hanssen, H., Minghetti, A., Magon, S., Rossmeissl, A., Rasenack, M., Papadopoulou, A., Klenk, C., et al. (2018). Effects of different endurance exercise modalities on migraine days and cerebrovascular health in episodic migraineurs: a randomized controlled trial. Scandinavian journal of medicine & science in sports, 28(3), 1103–1112.
La Touche, R., Fernández Pérez, J. J., Proy Acosta, A., González Campodónico, L., Martínez García, S., Adraos Juárez, D., Serrano García, B., et al. (2020). Is aerobic exercise helpful in patients with migraine? A systematic review and meta-analysis. Scandinavian journal of medicine & science in sports.
Lemmens, J., De Pauw, J., Van Soom, T., Michiels, S., Versijpt, J., van Breda, E., Castien, R., et al. (2019). The effect of aerobic exercise on the number of migraine days, duration and pain intensity in migraine: a systematic literature review and meta-analysis. The journal of headache and pain, 20(1), 16.
Kelman, L. (2007): The triggers or precipitants of the acute migraine attack. In: Cephalalgia. Ausg. 27, Nr. 5, S. 394–402.
November, 2021
Patellasehnenspitzen
syndrom
(Jumper’s knee)
Definition: lokale entzündliche und/oder degenerative Veränderungen am Ursprung der Patellarsehne an der Patellaspitze (tuberositas tibiae)
Ursachen: chronisch repetitive mechanische Überlastungen, zu hohe Trainingshäufigkeit mit verminderter Regeneration zwischen den Einheiten, verminderte Dehnbarkeit, Kniescheibenhochstand und Beinachsfehlstellungen spielen hierbei ebenso eine entscheidende Rolle (Kowanda 2018)
Sportarten mit vielen Sprint- und Sprungbewegungen stellen hohe Anforderungen an die Kniegelenkextensoren dar.
Konservative Therapie: Massagetechniken wie Querfriktionen, Kryotherapie, Ultraschalltherapie sowie sensomotorisches Training auf instabilen Untergrund unterstützen den Heilungsverlauf, doch was wenn dies langfristig nicht hilft?
- Phase 1: Belastung reduzieren
- Phase 2: Isometrisches Training der Kniegelenkextensoren scheint in der Anfangsphase eine schmerzreduzierende Wirkung zu haben (Rio et al., 2015). Des Weiteren wird einer Muskelatrophie entgegengewirkt. Tipp: ca. 60 Grad Kniegelenkflexion 3–5 Sätze mit je 30–45 Sekunden halten
- Phase 3: exzentrisches Training am Decline Board (Purdam et al., 2004; Stanish et al., 1986; Young et al., 2005)
- Phase 4: exzentrische Übungen in Kombination mit statische Dehnungsübungen (Dimitrios et al., 2012)
- Phase 5: Zusätzliches Training der Hüftgelenkabduktoren und der Hüftaußenrotatoren (Willson et al., 2011)
- Phase 6: Konzentrische und exzentrische Kräftigungsübungen um eine höhere Belastbarkeit der Patellarsehne zu erhöhen
- Phase 7: reaktives Training sowie sportartspezifisches Training erst danach wieder schmerzfrei in die Sportart einsteigen
Achtung: Dies sollte lediglich eine Empfehlung für den Therapieverlauf darstellen.
Quellen:
Dimitrios, S., Pantelis, M., & Kalliopi, S. (2012). Comparing the effects of eccentric training with eccentric training and static stretching exercises in the treatment of patellar tendinopathy. A controlled clinical trial. Clinical rehabilitation, 26(5), 423–430.
Purdam, C., Jonsson, P., Alfredson, H., Lorentzon, R., Cook, J., & Khan, K. (2004). A pilot study of the eccentric decline squat in the management of painful chronic patellar tendinopathy. British journal of sports medicine, 38(4), 395–397.
Rio, E., Kidgell, D., Purdam, C., Gaida, J., Moseley, G. L., Pearce, A. J., & Cook, J. (2015). Isometric exercise induces analgesia and reduces inhibition in patellar tendinopathy. British journal of sports medicine, 49(19), 1277–1283.
Stanish, W. D., Rubinovich, R. M., & Curwin, S. (1986). Eccentric exercise in chronic tendinitis. Clinical orthopaedics and related research(208), 65–68.
Willson, J. D., Kernozek, T. W., Arndt, R. L., Reznichek, D. A., & Straker, J. S. (2011). Gluteal muscle activation during running in females with and without patellofemoral pain syndrome. Clinical biomechanics, 26(7), 735–740.
Young, M., Cook, J., Purdam, C., Kiss, Z. S., & Alfredson, H. (2005). Eccentric decline squat protocol offers superior results at 12 months compared with traditional eccentric protocol for patellar tendinopathy in volleyball players. British journal of sports medicine, 39(2), 102–105.
Dr.Andreas Kowanda Pathologie 2018